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Senet: „Wenn die Seele spielt“ – ein Brettspiel als altägyptische Antwort auf Schach

Aktualisiert: 1. Aug.

Der Ruf des Spielbretts

Heute, am Internationalen Schachtag, ehre ich nicht nur Türme und Figuren, sondern ein Spiel, das lange vor der Erfindung des Schachs auf Ebenholzfeldern ausgetragen wurde.

Senet – das altägyptische Brettspiel der Seelenreise – war weit mehr als Strategie. Es war Ritual, Prüfung und innerer Wandel. Und während Schach die Welt erobert hat, flüstert Senet aus den Schatten der Geschichte: „Ich war früher da.“

Ein Spiel als geistiger Kampf, als Balance zwischen Licht und Dunkel, Geduld und Vorahnung. Und ich? Ich würfle nicht bloß mit Steinen – ich folge einem Pfad, der von KönigInnen, Priestern und Göttern gelegt wurde. Willkommen auf einem Spielbrett, das den Tod nicht fürchtet, sondern ihn als Spielfeld versteht.


Ein Spiel, das Welten verbindet

In Ägypten war das Spielen eine ernste Angelegenheit; Senet war kein Zeitvertreib, sondern eine spirituelle Expedition mit jedem Spielzug, die der Gott Thoth höchstpersönlich erschaffen haben soll. Und wenn ein Gott Würfel ins Leben bringt, sollte man zuhören.

Das Spiel stand für den Übergang vom Leben zum Tod. Wer gewann, durfte symbolisch ins Jenseits eintreten. Wer verlor … Nun ja, der blieb in der Unterwelt – etwas ungünstig für die Abendplanung.



Vom Nil bis aufs Schachbrett

Senet war mehr als bloßes Ritual – es schulte strategisches Denken, Vorausplanung und Risikomanagement. Darum liegt es nahe, dass dieses Urspiel den Grundstein legte für spätere Klassiker wie Schach. Beide räumen mit Figuren übers Feld, setzen Fallen und fordern vorausschauende Züge.


Wenn heute jemand sagt, Schach sei das Spiel der Könige, lächle ich. Denn ich habe Senet gespielt. Ich habe verstanden, dass Strategie einst spirituell war – dass der Weg auch der Weg des Herzens sein kann. Dass ein Brettspiel mehr sein kann als ein Wettkampf: eine Zeremonie, eine Reise, eine Erinnerung an das große Ganze.


„Ich, die Seele am Spielbrett – Mein Senet-Abend mit den Göttern“


Die Sonne versinkt golden über Alexandria, und während draußen das Leben flirrt, sitze ich in meinem Innersten vor einem Spielbrett aus Ebenholz. Drei Reihen, dreißig Felder – und jede Bewegung eine Entscheidung zwischen Licht und Schatten. Heute spiele ich Senet. Nicht nur mit Figuren, sondern mit der Zeit. Und mit den Göttern.


Hände ziehen Spielstäbe an einem antiken Holzspiel auf grauem Sofa. Das Brett hat geschnitzte Symbole und Spielfiguren in Schwarz und Holzfarben.
Ich habe Senet gespielt

Einladung zum Unfassbaren

Ich erinnere mich nicht, wie das Brett in meine Hände kam – vielleicht durch ein Traumbild, vielleicht durch Thoths flüchtiges Lächeln. Der Gott der Weisheit flüsterte mir Regeln zu, von denen keiner mehr weiß, ob sie je wirklich waren. Doch ich spiele. Ich spiele, als hinge mein Seelenflug davon ab.


Mein Mitspieler: Osiris

Gegenüber, im Halbdunkel, sitzt er. Osiris. Der schweigende Richter. Seine Augen gleiten über meine Züge, und ich spüre: Heute wird mein Herz gewogen. Zwischen Elfenbein und Tonfiguren, zwischen Atemzügen und Erinnerungen. Jeder Schritt auf dem Brett bringt mich dem Westen näher – der Welt der goldenen Felder, der Ruhe, des Seins.


Nefertari schickt mir ein Lächeln

Ein Bild taucht auf: Königin Nefertari, mit ruhiger Hand und spielender Seele. Ich sehe mich selbst in ihrer Haltung, aufrecht und fragend. Ob auch sie einst ihrem Leben eine letzte Frage stellte, während sie ihre Figur setzte?


Eine Darstellung aus dem Grab der Nefertari im Tal der Königinnen beim Senetspielen
Nefertari beim Senetspielen in ihrem Grab im Tal der Königinnen

Das Spiel beginnt

  • Dreißig Felder.

  • Würfel, die kichern wie die Geister der Wüste.

  • Figuren, die tanzen zwischen Ordnung und Chaos.

  • Und ich – mittendrin, poetisch und versunken.


Ich schließe meine Augen und atme tief ein. Der Raum ist erfüllt vom zarten Rauch des Sandelholzes und dem warmen Aroma frisch gebackenen Brots – ein Rezept, das ich aus den Tiefen des Museumsarchivs rekonstruierte: Emmermehl, Dattelsirup, ein Hauch Fenchel. Die altägyptischen Brotschöpfer hätten vielleicht gelächelt. Oder kritisch geschaut. Ich lächle zurück – innerlich bereit.

Vor mir liegt das Brett: 30 Felder in drei Reihen. Schwarz und Gold, schlicht und mystisch. Meine Figur ist aus Ton, handwarm und etwas rau. Ich nenne sie „Anubisflügel“.


Meine ersten Schritte – ein Spiel voller Stimmen

Ich würfle. Drei Felder. Meine Figur zieht an einem Symbol vorbei, das aussieht wie ein Papyrusboot. Ich spüre, wie sich die Zeit dehnt. Thoth schaut kurz vorbei – ein Flackern in der Kerze vielleicht – und flüstert: „Jeder Zug ist ein Gedanke, jeder Gedanke ein Prüfstein.“

Ich zögere. Und dann weiß ich: Das Brett ist kein Spielzeug. Es ist ein Spiegel. Und jede Bewegung enthüllt, wer ich bin. Ich sehe meine Entscheidungen, meine Umwege. Ich frage mich: Habe ich diese Reise gewählt oder wurde sie mir gegeben?


Mein letzter Zug

Ich setze die letzte Figur. Lege sie vorsichtig auf das Feld, das ins Jenseits führt. Ein leiser Ton erklingt– vielleicht ein Gong, vielleicht mein eigener Atem. Und ich weiß: Ich bin angekommen. Nicht in der Unterwelt. Nicht im Sieg. Sondern in mir. Ich höre ein Lachen– vielleicht meine eigene Seele, die sich freut.


Die Fundstücke – Echo der Ewigkeit

Ich kann mich noch sehr gut an die Bretter im Grab Tutanchamuns erinnern. Vier an der Zahl. Ebenholz, Elfenbein, Hieroglyphen. Ich stand damals ehrfürchtig vor der Vitrine. Nie hätte ich gedacht, dass ich Jahre später mein eigenes Senet fantasiziere, bis ich es bald wieder im Grand Egyptian Museum bewundern darf.


Ein Spiel des Wandels

Senet ist ein Ritual, ein Moment, ein Symbol. Wer gewinnt, darf ins Licht. Wer verliert, bleibt in Fragen hängen. Aber... vielleicht geht es nie ums Gewinnen. Vielleicht ist das Spiel der Seele einzig dafür, dass wir überhaupt spielen.


Bereit für deinen Zug?

Moderne Senet-Bretter laden heute wieder zum Spielen ein. Und während wir würfeln, spüren wir vielleicht den Hauch von Ebenholz, die Weisheit von Thoth, die Neugier Osiris’. Senet ist Spiel, Geschichte und Mysterium zugleich.

Also – wohin ziehst du deine Seele?


Das weltweit älteste Brettspiel … Wie wird das gespielt?

 „Letzter Zug“

Ein Gedicht zum Abschluss meiner Reise mit Senet


Eine Tonfigur auf Ebenholz,

Ein Würfel flüstert mir ein Ziel.

Dreißig Felder, Schritt für Schritt –

Ich spiele nicht, ich wand’re still.

Ein Brot bricht auf dem gold’nen Stein,

Es duftet nach vergang‘ner Zeit.

Ein Tropfen Licht, ein Hauch von Wein,

Ein Flügelschlag in Ewigkeit.

Der letzte Zug. Ich halte ein.

Thoth nickt. Osiris sieht mich an.

Die Kerze flackert – fast wie Tanz.

Ich bin dort, wo ich nie begann.

Im Jenseits fließt kein Spiel, kein Klang,

Doch meine Seele schwebt zurück.

Sie trägt das Echo – sanft, nicht bang –

Von Ebenholz, von Duft, von Glück.


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