Brot. Licht. Leben. – Eine Zeremonie der Verbundenheit
- mai haikal
- 21. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Juli
Ich war eingeladen. Von meinem Freund Marwan, mit dem mich eine lange Reise verbindet – sprachlich, geistig, menschlich. Er spricht Sprachen wie andere Menschen Instrumente spielen – ein Weltwandler mit tiefer Kenntnis und Feingefühl, ein Philosoph und Visionär. Wer ihn kennt, weiß: Er ist ein Gelehrter, ein Genie der Verständigung. Ein Mensch, der Religionen, Kulturen und Perspektiven zu einem gemeinsamen Klang bringen kann. Und an jenem Tag sollte dieser Klang durch Brot, Salz und Öl seinen Ausdruck finden.

Es war der zweite Brunch des Stadtvereins mitten in Eberswalde, und Marwan wurde gebeten, ein einleitendes Wort zu sagen. An diesem Morgen war es so weit. Ich saß unter den Bäumen zwischen Freund:innen, Nachbar:innen und Gästen aus der grünen Stadt.
Auf jedem Tisch warteten Brot, Salz und Öl. Noch unberührt. Es lag etwas Feierliches in der Luft, eine würdige Stille, durch die sich die Worte von Marwan wie ein goldener Faden zogen. Wenn Marwan spricht, lauscht man nicht nur den Worten – man hört, wie er Geschichte durch Räume atmet, wie aus dem Alltag Bedeutung wird.
Er begann, ruhig, mit einem Lächeln – und ich lauschte.

„Liebe Eberswalder und Besucher unserer Stadt im Grünen, heute feiern wir den zweiten Brunch des Stadtvereins in E – und ich freue mich, ein paar einleitende Worte sprechen zu dürfen.
Auf euren Tischen liegen Brot, Salz und Öl – aber ich möchte euch bitten: Greift noch nicht zu. Lasst uns diesen Moment teilen, bewusst und gemeinsam. Denn das Brechen von Brot, das Streuen von Salz und das Tunken in Öl sind mehr als nur Geste – es sind Erinnerung, Ritual und Rückbindung.
Diese Handlung ist uralt. Sie stammt aus einer Zeit, in der Menschen sich noch nicht über Nationen, Bündnisse, Ideologien oder Religionen voneinander abgrenzten. Sie lebten miteinander, nicht nebeneinander. Und so wollen wir heute zusammen essen.
Brot begleitet uns, seit wir sesshaft wurden. Es gibt keinen Ort auf der Welt ohne Brotradition. Auch hier, in Eberswalde, ist das Brot tief verwurzelt – und ich danke meinem Freund Björn und seinem Team von Herzen, dass sie diese Kultur mit Liebe bewahren.
In Ägypten nannte man Brot „Chet n Ankh“ – ein Stück Leben. Und das arabische Wort „Eisch“ bedeutet einfach: „Leben“.
Im Judentum beginnt der Schabbat mit dem Brechen des Brotes und dem Streuen des Salzes, begleitet von einem Segensspruch: „Gesegnet seist du, oh Herr, der uns Brot aus der Erde hervorbrachte.“
Auch in Ägypten sagt man: „Lass uns Brot und Salz essen“ – ein Ausdruck von Nähe.
Jesus brach beim letzten Abendmahl das Brot mit seinen Jüngern, und das Vaterunser spricht: „Unser täglich Brot gib uns heute.“
Der Prophet des Islam, Mohammad, sprach davon, dass Brot mit Würde behandelt werden muss – nicht achtlos, nie entsorgt.
Salz? Es ist lebensnotwendig. Menschen führten Kriege um Salz.
Und das Öl? Es war das Licht im Jerusalemer Tempel, es salbte Könige und Propheten. Selbst Jesus war ein Gesalbter – Meschiach. Die frühen Kalifen tunkten Brot in Öl, um Bescheidenheit zu üben.
Ich schlage vor: An jedem Tisch bricht jemand das Brot und teilt es aus. Streut Salz darauf. Und wer mag, tunkt es in Öl – oder lässt es pur.
Aber bevor wir essen, bitte ich euch um einen Moment der Stille. Nicht überall auf der Welt gibt es Brot. Und wenn wir heute teilen, dann auch Dankbarkeit. Nicht Verzicht, sondern Achtsamkeit.
Erlaubt mir, den Segensspruch laut zu sprechen: „Gesegnet seist du, Herr, der uns von der Erde Brot hervorbrachte.“
„Lasst uns essen. Lasst es euch schmecken. Möge jeder Bissen Erinnerung und Begegnung sein.“
Und wir aßen. Langsam. Dankbar. Verbunden. Ich bin froh, dass ich dabei sein durfte.

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